Der Glaube der allermeisten Kommunalpolitiker an die Gewerbesteuer hat schlimme Folgen. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Argumente, die gern vorgebracht werden, und die es zu entkräften gilt:
Irrtum 1: „Wir müssen immer mehr Unternehmen herlocken, wir brauchen die Gewerbesteuereinnahmen“
Das z.B. in der Region München quasi als Gesetz betrachtete Argument, wir müssten immer mehr Firmen ansiedeln, weil wir immer mehr Gewerbesteuer brauchen, um die Infrastruktur auszubauen, ist absurd. Wenn wir uns daran halten, wachsen wir weiter, bis der letzte Quadratmeter zugepflastert ist.
Warum brauchen wir die Gewerbesteuer?
Zum Beispiel
– weil die vorhandene kommunale Infrastruktur instand gehalten werden muss; das leuchtet ein (z.B. Straßenunterhalt, Bau von Kindergärten und Grundschulen).
– weil die Zahl der Aufgaben, aber auch unsere Anforderungen steigen, z.B. bezüglich Kultur oder Kinderbetreuung. Die zunehmend nachgefragten Ganztagsplätze für Kinder zahlen in der Regel nicht die Firmen, sondern die öffentliche Hand.
– weil wegen wachsender Aufgaben und Ansprüche die Zahl der Stadt- bzw. Gemeindemitarbeiter zunimmt.
– weil Kommunen für die Mitarbeiter neuer Firmen, die zuziehen (oder bei Erweiterungen), und deren Familien wiederum ihre Infrastruktur erweitern müssen.
Wir befinden uns in einer Spirale (Aufwärts- oder Abwärts-, je nach Sichtweise).
Mehr Gewerbe, also mehr Menschen in der Stadt –> mehr Infrastruktur nötig –> mehr Steuereinnahmen nötig –> mehr Gewerbe nötig, also nochmal mehr Menschen in der Stadt –> …
Diese Spirale müssen wir unterbrechen, wenn wir unsere Gemeinde, ja die ganze Region, lebenswert erhalten wollen. Wie gesagt: Wir werden niemals so viele Wohnungen, Straßen, Geschäfte etc. bauen können, dass alle zufrieden sind. Es wird nie ausreichen. Also stoppen wir den Versuch lieber, bevor die Umwelt kaputt und die Lebensqualität dahin ist.
Diese Spirale läuft seit Jahrzehnten. Die Folgen in den Ballungsräumen merken wir überdeutlich. Haben wir nichts daraus gelernt?
Ob die angesiedelten Firmen dann auch wirklich bei uns Steuern zahlen, ist ohnehin die Frage. Niemand weiß, wie sich diese Unternehmen entwickeln und welche Möglichkeiten der steuerlichen Gestaltung sie haben.
Irrtum 2: „Die Kosten müssen durch Grundstücksverkäufe an Investoren wieder hereingeholt werden“
Das Argument, eine Kommune müsste – sagen wir z.B. – 10 Mio. Euro, die sie in den Grunderwerb für Sozialwohnungen gesteckt hat, wieder herausholen, indem sie einen Teil der wertvollen Flächen an gewinnorientierte Investoren weitergibt, ist nicht nur aus dem unter 1. genannten Grund zu kurz gedacht.
Die Gemeinde sollte die Flächen komplett selbst bebauen bzw. eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft beauftragen. Mit diesem Modell gibt es in vielen Kommunen beste Erfahrungen; Hunderttausende konnten, vor allem in den Jahren und Jahrzehnten nach dem Krieg, durch ihre Kommune mit günstigem Wohnraum versorgt werden, wobei dringend dafür gesorgt werden müsste, dass diese Wohnungen nicht so schnell oder am besten niemals aus der Sozialbindung und dem Belegungsrecht durch Städte und Gemeinden herausfallen.
So ersparen sich die Kommunen auch mögliche Konflikte mit Investoren um Geld, Genehmigungen, Gestaltungswünsche etc. Nicht auszudenken, was passiert, wenn der Bau eines Großprojekts ins Stocken gerät, weil ein Investor in die Insolvenz rutscht oder ein Rechtsstreit geführt werden muss.
Kommunen sollten diese Investition als nachhaltige Investition in kommunale Infrastruktur, als Daseinsvorsorge für unsere Bürger sehen, nicht als Geschäft. So wie sie Kindergärten und Kultureinrichtungen (Bücherei, Kupferhaus) bauen, Schulen sanieren, Straßen instandhalten, Sport-Infrastruktur (mit)finanzieren.
Genauso notwendig wie Bibliothek, Kultursaal oder Sporthalle sind Wohnungen, die die Gemeinde an Einheimische bzw. sozial Schwache vergeben kann. Deutschlandweit lässt sich zur Zeit beobachten, wie bitter Kommunen bereuen, dass sie massenhaft kommunale Wohnungen an Investoren verkauft haben. Was weg ist, ist weg.
Es geht um nachhaltiges, verantwortungsvolles Wirtschaften, mit Blick auf die kommenden Generationen, die ebenfalls kommunale Flächen benötigen werden, um Wohnraum und Infrastruktur mit Bedacht auszubauen und zu erhalten. Wer alles Kommunale auf einmal zubaut oder – noch schlimmer – versilbert, hat in 5 oder 10 oder 20 Jahren nichts mehr.
Zu hoffen, man werde dann schon mal wieder irgendeinem Privatmann oder einem Investor Grund abkaufen können, ist gewagt. Da wird dann wieder ein neues Gewerbegebiet in Wald, Feld und Landschaftsschutzgebiet gesetzt in der Hoffnung, Gewerbesteuer zu generieren, um Grund erwerben zu können. Und die Betonspirale dreht sich weiter…